Presseaussendung zur 30. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums
Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat in seiner 30. Sitzung am 13. Dezember 2021 schwerpunktmäßig die systemischen Risiken aus Immobilienfinanzierungen diskutiert sowie die tourlich vorgesehene Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer beschlossen.
Systemische Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierung
Systemische Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierung waren auch in der 30. Sitzung das Schwerpunktthema. Das Gremium hat festgestellt, dass sich die Dynamik des Anstiegs der systemischen Risiken weiter fortgesetzt hat. Das Wachstum der Immobilienpreise und Immobilienkredite ist hoch geblieben, die Kreditzinsen befinden sich weiterhin auf einem Rekordtiefststand, und das Marktumfeld ist weiterhin von einem sehr hohen Wettbewerb geprägt. Der Anteil der variabel verzinsten Kredite ist zwar in den letzten Jahren deutlich gesunken, ein großer Teil der Kreditnehmer:innen bleibt jedoch gegenüber kurzfristigen Zinsänderungen verwundbar. Ein großer Teil der neuvergebenen Immobilienkredite wird auch weiterhin mit überhöhten Schuldendienst- und Beleihungsquoten vergeben. Der FMSG-Leitlinie zur nachhaltigen Hypothekarkreditvergabe wird nicht in ausreichendem Ausmaß entsprochen.
Auch wenn mitigierende Elemente – wie ein gut entwickelter Mietmarkt mit einem hohen Anteil gemeinnütziger Anbieter, eine relativ geringe Bedeutung von kreditfinanziertem Immobilienerwerb zur privaten Weitervermietung und im internationalen Vergleich hohe Einkommen und Vermögen sowie eine vergleichsweise geringe Verschuldung der österreichischen Haushalte – bestehen bleiben, hat das Gremium festgestellt, dass die steigenden systemischen Risiken große Relevanz für die Finanzmarktstabilität in Österreich haben können. Im Fall einer Immobilienkrise besteht das Risiko einer Störung des Finanzsystems mit negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Daher sollen diese systemischen Risiken adäquat und rechtzeitig adressiert werden. Das Gremium erachtet Instrumente nach § 23h Bankwesengesetz als adäquate Maßnahmen und hat die OeNB gebeten, gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag eine konkrete Empfehlung des FMSG an die FMA mit der Intention, rechtlich verbindliche Maßnahmen möglichst ab Mitte 2022 in Kraft treten zu lassen, auszuarbeiten. Auch internationale Organisationen wie bspw. der Europäische Rat für Systemrisiken (ESRB), die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) und der Internationale Währungsfonds (IMF) evaluieren bzw. empfehlen den Einsatz dieser Maßnahmen in Österreich.
Analyse der gewerblichen Immobilienfinanzierungen
Das Gremium hat sich in seiner 30. Sitzung neben der privaten Immobilienfinanzierung auch mit der gewerblichen Immobilienfinanzierung in Österreich beschäftigt und festgestellt, dass diese im europäischen Vergleich einen überdurchschnittlichen Anteil an der aggregierten Bilanzsumme der österreichischen Banken ausmacht, wobei sie unter jener der privaten Immobilienfinanzierung geblieben ist. Auch ist die Kreditdynamik im Segment der gewerblichen Immobilienfinanzierung schwächer. Mit der Meldeverordnung zur Erfassung für die Erstellung von Gewerbeimmobilienindikatoren der OeNB („GIMPI-VO“1) ist ein wichtiger Grundstein für die Verbesserung der Datenlage, insbesondere zur Preisentwicklung von Gewerbeimmobilien, gelegt. Allerdings werden die Daten daraus erst in den kommenden Jahren zur Verfügung stehen. Das Gremium regt an, dass die OeNB in Zusammenarbeit mit der FMA evaluiert, ob und wie die Datenlage in diesem Segment weiter verbessert werden kann.
Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer (AZKP)
Das FMSG empfiehlt der FMA, den AZKP weiterhin bei 0 % der risikogewichteten Aktiva – gültig ab dem 1. April 2022 – zu belassen. Zwar besteht weiterhin eine positive Lücke zwischen dem Verhältnis von Kreditvolumen und Bruttoinlandsprodukt und dessen Trend, allerdings ist sie mit der Erholung des Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal 2021 zurückgegangen. Daher weist das Gremium darauf hin, dass das Kreditwachstum im Vergleich zum BIP-Wachstum weiterhin zu hoch ist. Weitere für den AZKP relevante Indikatoren befinden sich weiterhin auf einem im historischen Vergleich auffälligen Niveau. Für die weitere Beurteilung der Notwendigkeit, einen höheren AZKP zu empfehlen, ist wesentlich, ob sich im Zuge der wirtschaftlichen Erholung die Verbesserung der für den AZKP relevanten Indikatoren nachhaltig fortsetzt, und ob immobilienbezogene Maßnahmen effektiv in der Reduktion der Risiken aus dem Kreditzyklus sind.
Informationen zum FMSG
Das FMSG hat im Jahr 2014 seine Tätigkeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist die Stärkung der Finanzmarktstabilität. Mitglieder sind Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen, des Fiskalrats, der Finanzmarktaufsicht und der Oesterreichischen Nationalbank. Das FMSG kann insbesondere Empfehlungen an die Finanzmarktaufsicht und Risikohinweise abgeben.
[1] Meldeverordnung GIMPI 2022, BGBl. II Nr. 425/2021.