Presseaussendung zur 6. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums

26. November 2015

Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat in seiner 6. Sitzung am 26. November 2015 die Strategie der makroprudenziellen Aufsicht in Österreich diskutiert und über die Eckpunkte Übereinkunft erzielt. Das FMSG hat zudem empfohlen, den Antizyklischen Kapitalpuffer (AZKP) mit 0% festzulegen. Weitere Diskussionspunkte waren die jüngsten Entwicklungen im österreichischen Finanzsektor mit einem Schwerpunkt auf den Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds und makroprudenzielle Instrumente im Bereich der Immobilienfinanzierung.

Makroprudenzielle Strategie für Österreich

Die makroprudenzielle Strategie hält wesentliche Eckpunkte in der Umsetzung der makroprudenziellen Aufsicht in Österreich fest und dient der Förderung der Entscheidungsprozesse sowie der Kommunikation und Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat im Jahr 2013 empfohlen1, eine solche Strategie bis Ende des Jahres 2015 zu formulieren.

Die Strategie hält fest, dass das oberste Ziel der makroprudenziellen Aufsicht in Österreich – die Sicherstellung der Stabilität des österreichischen Finanzsystems in seiner Gesamtheit – durch Verfolgung und Erfüllung folgender Zwischenziele zu erreichen ist:

1.) Eindämmung und Vermeidung von übermäßigem Kreditwachstum und übermäßiger Verschuldung („Leverage“);

2.) Eindämmung und Vermeidung von übermäßigen Inkongruenzen zwischen Aktiv- und Passivseite der Finanzunternehmen sowie von Liquiditätsengpässen an den Märkten;

3.) Begrenzung direkter und indirekter Risikokonzentrationen;

4.) Begrenzung systemischer Auswirkungen von Fehlanreizen, insbesondere zwecks Verringerung von Moral Hazard;

5). Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Finanzinfrastrukturen;

6.) Minimierung von Informationsdefiziten.

Die makroprudenzielle Strategie wird nach Beschlussfassung in deutscher und englischer Sprache auf der Homepage des FMSG veröffentlicht werden.

Empfehlung für den Einsatz des Antizyklischen Kapitalpuffers

Das FMSG bleibt bei seiner Empfehlung an die FMA, den AZKP in Höhe von 0% der risikogewichteten Aktiva festzulegen. Das ausstehenden Kreditvolumen im Vergleich zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts liegt deutlich unter seinem langjährigen Trend, die österreichischen Bankbilanzen entwickeln sich gemessen an der unkonsolidierten aggregierten Verschuldungsquote (Tier 1 Kapital im Verhältnis zur Bilanzsumme) solide, und auf makroökonomischer Ebene sind keine groben Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz bezogen auf das Wirtschaftswachstum zu erkennen.

Diskussion der systemischen Risiken aus der Immobilienfinanzierung

Internationale Studien zeigen, dass Immobilienpreisbooms, wenn sie zu Ende gehen, zu hohen Wohlfahrtsverlusten für eine Volkswirtschaft führen können. Die systemischen Risiken sind dann höher, wenn Immobilienpreisbooms in Verbindung mit einem starken Kreditwachstum stehen. In Österreich gab es einen starken Anstieg der Immobilienpreise bis Ende des Jahres 2012. In Wien dauerte dieser länger – bis Anfang 2014 – und war stärker ausgeprägt. Während das Hypothekarkreditwachstum zur Zeit der starken Immobilienpreisanstiege verhalten war, legte es in den letzten Quartalen zu, und es zeigte sich eine Tendenz zur Verschlechterung von Besicherungs2- und Verschuldungsquoten3.

Das Gremium leitet aus diesen Entwicklungen ab, dass es keinen unmittelbaren Bedarf für den Einsatz von makroprudenziellen Instrumenten im Bereich der Immobilienfinanzierung gibt. Das Gremium sieht aber die Notwendigkeit, die Handlungsmöglichkeiten der makroprudenziellen Aufsicht um international übliche Instrumente zu erweitern und wird sich daher im ersten Quartal 2016 mit einer Empfehlung befassen. Damit soll sichergestellt werden, bei einem mit systemischen Risiken behafteten Immobilienpreisboom handlungsfähig zu sein und einen verstärkten systemischen Risikoaufbau durch Fremdkapitalfinanzierung von Immobilien in einer anhaltenden Immobilienmarktaufschwungphase eindämmen zu können.

Auswirkungen des Niedrigzinsumfelds auf die österreichischen Banken

Das derzeit herrschende Zinsumfeld stellt eine zusätzliche Herausforderung für die österreichischen Banken, die aufgrund ihrer Eigenmittelausstattung und Risiken wie Fremdwährungskredite oder Aktivitäten in aufstrebenden Volkswirtschaften stärker exponiert sind, dar. In den letzten Jahren ist die durchschnittliche Zinsmarge auf Einzelbankebene kontinuierlich zurückgegangen, was zum Teil auf den Rückgang des Zinsniveaus zurückzuführen ist und was die Fähigkeit zum internen Kapitalaufbau einschränkt. Der Rückgang der Zinsmarge war bei den kleineren und mittleren Banken besonders ausgeprägt, da ihr Geschäftsmodell stärker auf der Finanzierung durch Kundeneinlagen und der Präsenz über Bankstellen basiert. Der Rückgang der Kreditausfälle im Inland sowie die verstärkte Veranlagung in Forderungsklassen mit höherer Verzinsung (Kredite an Unternehmen und Haushalte im Vergleich zu Krediten an Banken und öffentliche Haushalte) haben in den letzten Quartalen den Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus jedoch teilweise kompensiert. Weitere Möglichkeiten, die Auswirkungen des herrschenden Zinsumfelds abzufedern, sieht das Gremium in der Verbesserung der operativen und strukturellen Effizienz. Das Gremium wird die Herausforderungen aus einem länger andauernden Niedrigzinsumfeld im Rahmen seiner regelmäßig stattfindenden Risikodiskussion weiter beobachten und warnt vor den Risiken, die mit der Suche nach rentableren Veranlagungsformen einhergehen. Das FMSG weist auch darauf hin, dass ein Anstieg der Zinsen mit Risiken für Kreditnehmer und Banken verbunden ist, insbesondere da ein Großteil der Kredite in Österreich variabel verzinst ist.

Informationen zum FMSG

Das FMSG hat im Jahr 2014 seine Tätigkeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist die Stärkung der Finanzmarktstabilität. Mitglieder sind Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen, des Fiskalrats, der Finanzmarktaufsicht und der Oesterreichischen Nationalbank. Das FMSG kann Empfehlungen an die Finanzmarktaufsicht und Risikohinweise abgeben.

 

1 Empfehlung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 4. April 2013 zu Zwischenzielen und Instrumenten für makroprudenzielle Maßnahmen (ESRB/2013/1)
2 Ausstehendes Kreditvolumen im Verhältnis zum Wert der Immobilie.
3 Gesamtverschuldung eines Kreditnehmers im Verhältnis zu seinem Einkommen.