Presseaussendung zur 31. Sitzung des Finanzmarktstabilitätsgremiums
Das Finanzmarktstabilitätsgremium (FMSG) hat in seiner 31. Sitzung am 1. März 2022 Empfehlungen an die FMA zur Begrenzung systemischer Risiken aus der privaten Wohnimmobilienfinanzierung sowie zum Antizyklischen Kapitalpuffer beschlossen. Zudem diskutierte das Gremium den Jahresbericht für das Jahr 2021 und den Arbeitsplan für das Jahr 2022. Das Gremium hat auch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Finanzmarktstabilität in Österreich diskutiert und festgestellt, dass die in den letzten Jahren aufgebauten makroprudenziellen Kapitalpuffer einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Stabilität des Bankensystems zu gewährleisten. Dem Finanzsystem steht auch ausreichend Liquidität zur Verfügung, um einen etwaig kurzfristig auftretenden erhöhten Liquiditätsbedarf bedienen zu können.
Empfehlung zur Begrenzung systemischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung
Das Gremium hat bereits in den letzten Sitzungen festgestellt, dass die systemischen Risiken aus der Wohnimmobilienfinanzierungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind und sich in den letzten beiden Jahren noch deutlich beschleunigt haben. Zwar sind die systemischen Risiken in diesem Segment in vielen Ländern des Euroraums gestiegen, allerdings sind die Entwicklungen in Österreich besonders auffällig. Daher hat der Europäische Rat für Systemrisiken (ESRB1) Österreich am 11. Februar 2022 empfohlen, kreditnehmer:innenbezogene Maßnahmen in Österreich zu ergreifen, um den Aufbau der systemischen Risiken aus den Wohnimmobilienfinanzierungen hintanzuhalten. Auch die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD2) und der Internationale Währungsfonds (IMF3) haben den Einsatz dieser Maßnahmen für Österreich angeregt. Das Gremium schließt sich der Begründung und Argumentation dieser Institutionen an und hat daher eine Empfehlung zum Einsatz von makroprudenziellen Instrumenten nach §23h Bankwesengesetz an die FMA beschlossen.
Konkret empfiehlt das FMSG der FMA, eine maximale Beleihungsquote in Höhe von 90%, eine Schuldendienstquote in Höhe von 40% und eine Laufzeitbeschränkung in Höhe von 35 Jahren zu verordnen. Ein Ausnahmekontingent in Höhe von insgesamt 20% soll den Kreditinstituten ausreichend Flexibilität gewährleisten.
Darüber hinaus ergänzt das FMSG die bestehende Leitlinie zur nachhaltigen Immobilienkreditvergabe an private Haushalte um eine Begrenzung der Schuldendienstquote in Höhe von 30% für Kredite mit einer Laufzeit von über fünf Jahren, wenn die Zinsbindung kürzer als die Hälfte der Laufzeit des Kredits ist. Das Gremium wird die Entwicklungen in der Neukreditvergabe weiterhin genau beobachten und ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung des Anteils der variabel verzinsten Kredite legen.
Primäres Ziel dieser kreditnehmer:innenbezogenen Maßnahmen ist die präventive Adressierung von im Aufbau befindlichen systemischen Risiken und damit die Mitigierung von Verlusten aus dem Kreditgeschäft. Zudem schützen diese Maßnahmen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer vor den Konsequenzen einer Überschuldung. Die vorgesehenen Maßnahmen reduzieren die exzessiven Aspekte der Immobilienkreditvergabe, wie zu geringe Besicherung, zu hoher Schuldendienst und zu lange Laufzeiten. Ausnahmekontingente werden die notwendige Flexibilität gewährleisten.
Internationale Erfahrungen zeigen, dass Finanzkrisen im Zusammenhang mit Immobilienkrisen hohe Wohlstandsverluste mit sich bringen können. Österreich ist in den letzten Jahrzehnten von einer Immobilienkrise verschont geblieben. Die empfohlenen Maßnahmen sollen einen Beitrag dazu leisten, dass dies so bleibt. Empirische Studien bestätigen die Effektivität von kreditnehmer:innenbezogenen Maßnahmen in der Verminderung von systemischen Risiken. Auch haben 24 von 30 EWR-Ländern bereits derartige Maßnahmen eingesetzt.
Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer (AZKP)
Das FMSG empfiehlt der FMA, den AZKP weiterhin bei 0 % der risikogewichteten Aktiva – gültig ab dem 1. Juli 2022 – zu belassen. Der Indikator zur Kredit-BIP-Lücke ist knapp unter den Schwellenwert von 2%-Punkten für die Aktivierung eines AZKP zurückgegangen. Allerdings zeigen die Indikatoren zur Fehlbepreisung von Risiken, Solidität der Bankbilanzen, Kreditentwicklung und Entwicklung von Immobilienpreisen keine Verbesserung und weisen auf deutlich erhöhte zyklische Risiken im Finanzsystem hin. Insbesondere weisen die Wohnbau- und Unternehmenskredite sehr robuste Wachstumsraten auf. Damit ist das Kreditwachstum im Vergleich zum BIP-Wachstum weiterhin deutlich überhöht und gegebenenfalls ein verkürzter Implementierungszeitraum für den AZKP notwendig. Zudem wird die Wirksamkeit der kreditnehmer:innenbezogenen Maßnahmen die Beurteilung der Notwendigkeit bzw. erforderlichen Höhe eines AZKP wesentlich beeinflussen.
Jahresbericht 2021 und Arbeitsplan 2022
Die Tätigkeit des Gremiums war im Jahr 2021 von der Analyse systemischer Risiken in der Finanzierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien, der Evaluierung des Puffers für Systemrelevante Institute (OSII) sowie der vierteljährlichen Festlegung des Antizyklischen Kapitalpuffers (AZKP) geprägt. Das Gremium kam in seiner jährlichen Evaluierung der sechs in der makroprudenziellen Strategie festgehaltenen Zwischenziele zum Ergebnis, dass die im Jahr 2021 gesetzten Maßnahmen adäquat für die Erreichung seiner Zwischenziele sind.
Im Jahr 2022 wird das Gremium weiterhin die Entwicklung der Systemrisiken aus der Finanzierung von Wohn- und Gewerbeimmobilien genau verfolgen. Ebenso im Fokus stehen werden die quartalsweise Empfehlung zum Antizyklischen Kapitalpuffer, die tourliche Evaluierung des Systemrisikopuffers sowie die jährliche Evaluierung des OSII-Puffers und der Hebelfinanzierungen von Alternativen Investmentfonds.
Der Jahresbericht wird Ende April 2022 an den Finanzausschuss des Nationalrats und an den Finanzminister übermittelt und auch auf der Homepage des FMSG veröffentlicht.
Informationen zum FMSG
Das FMSG hat im Jahr 2014 seine Tätigkeit aufgenommen. Seine Aufgabe ist die Stärkung der Finanzmarktstabilität. Mitglieder sind Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen, des Fiskalrats, der Finanzmarktaufsicht und der Oesterreichischen Nationalbank. Das FMSG kann insbesondere Empfehlungen an die Finanzmarktaufsicht und Risikohinweise abgeben.
1 https://www.esrb.europa.eu/pub/pdf/recommendations/220207_ESRB_AT_recommendation.en.pdf?385471ba050cc4008919ce4b336048cb
2 https://www.oecd-ilibrary.org/economics/oecd-economic-surveys-austria-2021_eaf9ec79-en
3 https://www.imf.org/en/Publications/CR/Issues/2021/09/07/Austria-2021-Article-IV-Consultation-Press-Release-Staff-Report-Staff-Supplementary-465350